Aktueller konnte der Inhalt des diesjährigen Theaterstücks „Wer krank is, mott kerngesund wäne“ kaum sein: Mitten in die #metoo-Debatte hinein, zeigen die Großenvörder Theaterspieler die frauenfeindlichen Missstände in einer Privatklinik auf, lassen die Frauen zurückschlagen und die übermütigen und überheblichen Männer zur Raison bringen. Egal, ob der auf dem Weg zur Senilität befindliche Professor, der selbstverliebte Chefarzt, der leicht überforderte aber herrische Personalchef, der hypochondrierende Sternekoch oder der Patient mit multipler Persönlichkeit: Am Ende werden alle von den Klinikfrauen rasiert! Zudem ist es so, als wollten unsere Schauspieler noch auf die Sondierungsgespräche in Berlin Einfluss nehmen – naja, nach aktuellen Meldungen soll ja auch noch nachverhandelt werden. So wurde der Pflegenotstand und insbesondere das Zwei-Klassen-System in der Krankenversicherung intensiv beleuchtet. Was sich hier auf den ersten Blick nun wie schwere Kost anhört, ist vor allem eines: Ein Riesen-Spaß. Und so war die Premiere in Hartmann´s Gasthaus in Warmsen vor gut gefülltem Haus ein voller Erfolg.
Regisseur Friedhelm Siemann hat den zeitweise leicht frivolen Reigen mit seiner Bühnencrew Wolfgang Könemann und Paul Kogler in den passenden Rahmen gesetzt und dem Stück turbulentes Leben eingehaucht. Maske, Kostüm und Bühnenbetreuung durch Lisa Mußmann, Angela Brüggemann, Margret Heineking und Marlene Kogler heben diesen Rahmen perfekt hervor und wieder einmal ist die Liebe zum Details des Bühnenbildes genau zu erkennen und gab dem Stück einen eigenen Charakter. Und wenn mal an der einen oder anderen Stelle die Worte fehlen, ist Souffleur Heinz Thiermann zuverlässig zu Stelle.
Unsere Theatertruppe hält wieder einmal, was sie verspricht und überspielt leichte Schwächen im Stückinhalt und Buch mit brillianter schauspielerischer Darstellung. Da ist zum einen die tolle Frauencrew, die mit geballter Macht und Persönlichkeit vollends überzeugt. Angefangen bei der unverwechselbaren Christa Reckweg, die uns als Bodenmasseuse und „Schnüffelschwien“ gleich zu Beginn des Stücks in medizinische Geheimnisse einweiht und Fachbegriffe eindrücklich erläutert (Prost! Ata!). Lena Kruse als Ariane Berger spielt die Rolle der Privatsekretärin genauso kompetent, wie ihr Charakter den Sekretärinnenjob erledigt; und dass, obwohl sie Ihre „Mission“ im Stück spürbar nervös macht. „SCHWESTER ESTHER“, kein Rollenname prägt sich so gut ein, wie der von Carola Wehking. Sie heckt gemeinsam mit Meike Walther, die als Lisa eigentlich nur für Privatpatienten zuständig ist, den Rachefeldzug des weiblichen Klinikpersonals aus. Beide füllen ihre Rollen mit großer Spielfreude und Überzeugungskraft. Judith Niemeier als Frau Surbier verirrt sich herrlich in der menschlichen Anatomie, findet dann aber die Orientierung wieder, als ihr ein „Keerl auf Rezept“ verschrieben wird. Anders als Christin Kohlmeyer, die als Krankenkassensachbearbeiterin auf ganz andere – mehr körperliche – Wege zu sich selbst findet und die Wandlung des Rollencharakters mehr als eindrucksvoll auf die Bühne bringt. Ja und dann ist da noch Senta, die – herrlich präsent gespielt von Lena Weßling – mit diverser Medizintechnik und einer pragmatischen „Machermentalität“ interessante Heilmethoden anwendet. So wird bspw. die gleichzeitige Darm- und Rachenspülung für Kassenpatienten möglich.
Das Ziel dieser weiblichen Machenschaften ist dann die männliche Seite des Stücks: Der Personalchef Meier, souverän gegeben von Gerhard Reckweg, zieht vermeintlich die Fäden im Hintergrund. Aber irgendwie hängt dann doch die eine oder andere Niete am Ende des Fadens. Stammkunde der Klinik ist Werner Schnitzler, überzeugend und witzig gespielt von Christoph Ötting. Der Maitre ist Meister in der Verbindung von Anatomie und Küchenkunde. Er wandelt sich dabei vom eingebildeten Kranken hin zum verliebten auf Freiersfüßen und findet sogar noch seinen „Stern in der Nudelsuppe“. Ganz andere Sorgen hat Andreas Kruse alias Manni. Neben seinen multiplen Persönlichkeiten, die Andreas wie immer treffend und urkomisch hinlegt, hat Manni auch noch Probleme mit Vergesslichkeit und auch das Sprechen läuft nicht ganz so flüssig. Manuel Barg befördert den mehr als unsympathischen Chefarzt Dr. Keller mitten in das Visier der Krankhausfrauen. Da brockt er sich eine Suppe ein, die er dann mit dem großen Löffel auslöffeln muss. Manuel spielt sich mit dieser tollen Rolle in die „hall of fame“ der Großenvörder Theaterspieler. Der Professor – als graue Eminenz der Klinik – wird von Reinhard Wesemann mit der ihm eigenen und einzigartigen Professionalität gespielt. Seine Anleihen bei Peter Frankenfeld machen der verstorbenen Showlegende dabei alle Ehre. Am Ende und Finale des Stücks werden die Männer von ihrem hohen Ross der Überheblichkeit und des Machotums geholt und am Ende stellen die Frauen im Stück die wahren Kräfteverhältnisse her.
Wir sind überzeugt, dass jeder Zuschauer nach dieser Aufführung mit einem Lächeln, wenn nicht sogar mit einem kräftigen Lachen nach Hause fährt und können nur empfehlen, sich das Stück live vor Ort an zu sehen. Es sei darauf hingewiesen, dass es für alle Vorstellungen – außer dem Tanzabend am 03.02. – noch Karten gibt, die im Vorverkauf oder auch an der Abendkasse erhältlich sind. Fotos von der Premiere, die Lust auf mehr machen, sind hier in der Galerie zu finden.
Unser großer Dank gilt allen Unterstützern der Theatergruppe. Angefangen bei Karin und Carsten Pfeifer von Hartmann´s Gasthaus, die den Saal auch für die monatelangen Proben zur Verfügung stellen und weiter über die Firmen Nobbe und Jordan, die Fahrzeuge für den Transport zur Verfügung stellen.